Folge der Freude, sagt SAM

 

Beate Wollmann steht auf einem Hügel mit ausgestreckten Armen

 

Hier die versprochene Fortsetzung…

Es ist mittlerweile schon Mitte März geworden und es ist viel passiert und doch so wenig (Ich habe mich seit ewigen Zeiten mal wieder gelangweilt, ist das zu glauben?). Alles in meinem Leben steht im Moment unter dem Stern der Heilung, der Gesundwerdung und somit auch auf dem Prüfstein.

Da war zuerst die Operation Anfang Februar. Der Wecker klingelte schon früh an diesem Morgen, sollte ich doch um 7 Uhr in der Frauenklinik erscheinen, da ich die Erste auf der OP-Liste war.

Das Gefühl unter der Dusche, als ich meine Brust das letzte Mal als die Brust, die ich kenne, wusch – nicht wissend, wie sie nach der OP aussehen und sich anfühlen würde, ist nicht zu beschreiben. Schmerz ist vielleicht das richtige Wort, es tat weh und machte mir Angst. Wie oft habe ich diese Brust, diesen Körper achtlos gewaschen? Wie selbstverständlich ist es für mich, sehen, hören, laufen, schmecken, fühlen, sprechen, lesen und so vieles mehr zu können. Es ist Zeit für Dankbarkeit, Zeit für Achtsamkeit. Nichts ist selbstverständlich.

Ich wurde dann von meinem Sohn in die Klinik gefahren, reingehen durfte ich aufgrund von Corona nur alleine und so fühlte ich mich auch, als ich mit meiner Reisetasche auf die Station ging, Ungewissheit und Angst im Gepäck aber auch das Wissen, dass die Gefahr, die von SAM ausgeht, jetzt beendet werden darf.

Wie mag es meinem Sohn ergangen sein, mir hinterherzuschauen auf meinem Weg, wissend, dass er mich nicht besuchen darf und nichtwissend, was bei der Operation herauskommt. Wie gerne hätte ich ihm das erspart – möchten wir Mütter doch gerne unsere Kinder vor Schwierigkeiten bewahren, sie behüten – und doch weiß ich, es wird ihn stärker machen. Ich traue ihm zu, mit seinen Herausforderungen umzugehen, daran zu wachsen, einen Sinn zu erkennen; auch wenn ich mich selbst immer mal wieder daran erinnern darf.

Die erste Person, die ich auf der Station sah, war Maggie, eine Krankenschwester. Ich kenne Maggie von früher, wir haben vor langer Zeit zusammen in einem Verein Handball gespielt und wir mochten uns damals sehr. So traurig der Anlass des Wiedersehens war, fühlte ich mich doch gleich weniger alleine und gut aufgehoben. Danke Maggie!

Nun hieß es, OP-Hemd an- und das schicke Häubchen aufziehen und warten, dass es losgeht. Ich versuchte, mich mit Meditation und bewusster Atmung einzustimmen und ich lud Gott/die Quelle/das Licht ein, mich zu begleiten. Dann ging es ganz schnell, ich wurde zum OP-Saal gefahren, bekam die Narkose und danach fehlt mir eine Stunde oder auch ein bisschen mehr an Zeit. Habt ihr euch auch schon mal gefragt, wohin man geht, wenn man narkotisiert wird? Man träumt ja nicht, man ist einfach weg. Wo war ich, mein Bewusstsein, meine Seele in dieser Zeit?

Als ich wieder zu mir kam, war es vorbei, SAM war entfernt. Der Arzt war sehr zufrieden, er hatte Spaß bei der OP – wie geil ist das denn bitte? Liebe was du tust und tue was du liebst. Ich will das auch wieder haben, Spaß bei der Arbeit und bei allem, was ich tue! Einen Sinn darin sehen! JA!

Normalerweise hätten mein Liebster und mein Sohn nach der OP an meiner Seite gesessen und mich getröstet, bzw. gefeiert für meine Tapferkeit. Leider blieb mir nur das Handy als Verbindung doch schon am nächsten Tag konnte ich einen kleinen Spaziergang im Freien machen und die Zwei kurz treffen. Corona hat unser aller Leben stark verändert. Situationen, bei denen wir uns Hilfe und Unterstützung wünschen, bei denen wir füreinander da sein wollen, müssen plötzlich alleine durchlebt werden. Gott sei Dank war es in meinem Fall ja nicht für lange, ich durfte schon zwei Tage nach der OP nach Hause und wurde dort verhätschelt und verwöhnt. DANKE hierfür!

Ich bin zutiefst dankbar für die vielen Menschen, die sich in den Dienst Anderer stellen. Die Mitarbeiter*innen im Krankenhaus gaben alles und waren stets achtsam, freundlich, hilfsbereit. Erst wenn man bedürftig ist, weiß man zu schätzen, welchen Dienst die Menschen dort leisten. Wir brauchen einander!

Zuhause begann dann die Erholungs- und Heilungsphase. Ich fühlte mich zuerst noch sehr wund und war besonders vorsichtig. Die Brust war noch taub, es war ein seltsames Gefühl, sie anzufassen und diese Taubheit zu fühlen.

Tatsächlich war auch meine Seele wund, es dauerte ein paar Tage und plötzlich flossen Tränen. Ich verstand nicht, wieso ich auf einmal so traurig war. Doch dann dachte ich darüber nach, was alles passiert war. Mein Körper wurde verletzt, aufgeschnitten, SAM und die Wächterknoten wurden herausgenommen, die Brust wurde neu geformt und dann wurde ich wieder zugenäht. Kein Wunder, dass ich trauerte, auch wenn ich natürlich froh war, dass SAM keinen Schaden mehr anrichten kann. Und es war ok traurig zu sein.

Von Tag zu Tag fühlte ich mich weniger wund und schon bald nahm ich voller Dankbarkeit mein morgendliches Yoga wieder auf. Es gab nicht viel für mich zu tun, Kontrollbesuch beim Arzt, Fäden ziehen lassen und abwarten, was die pathologische Untersuchung ergibt. Sind die Lymphknoten frei oder nicht? Muss nochmal operiert werden oder nicht?

Interessanterweise machte ich mir keine Gedanken, ob das Ergebnis „schlecht“ für mich sein könnte. Ich gab mich voller Vertrauen der Heilungsphase hin. Ich wurde so oft gefragt, ob es nicht schlimm sei, auf das Ergebnis und somit auf mein weiteres Schicksal, warten zu müssen. Nein, ich wartete nicht. Ich wusste, dass jetzt Heilung geschieht und meine Aufgabe hierbei sehr bedeutend und entscheidend ist, nämlich mich der Frage zu stellen, wie geht mein Leben weiter nach SAM? Wie will ich leben?

Ich hatte das erste Mal seit ewigen Zeiten nichts zu tun, niemand wollte etwas von mir, kein Monatsabschluss im Februar für mich. Ich hatte und habe also ausreichend Zeit, mich dieser Frage zu stellen und sie wird mich noch eine Weile beschäftigen.

So sehr ich die Botschaft von SAM verstanden hatte und habe, mir fiel und fällt noch immer keine endgültige Lösung ein.

„Bleib mal realistisch! Schließlich muss ich Geld verdienen! Ich habe keine Wahl! So schlimm ist es doch gar nicht im Büro, ich muss nur meine Einstellung ändern! Ich suche einen neuen Job und fang nochmal neu an! Ich lasse mich abfinden und mache den Platz frei! Wann kann ich eigentlich in Rente gehen? Ich setze den Fokus endlich mehr auf mein Coaching!..“ so viele Gedanken und die meisten davon zogen mich in die Schwere.

Und dann war da der Gedanke von Schuld, wenn ich jetzt etwas falsch mache, kommt SAM zurück! Ich kann euch sagen, das war und ist keine einfache Zeit.

Parallel dazu keimen aber auch Ideen für ein Frauen-Freude-Seminar, welches ich mit zwei wundervollen Freundinnen demnächst plane, ich schreibe mit Freude diesen Blog, lese viele inspirierende Bücher und öffne mich für Ideen. Das Neue ist schon auf dem Weg, es ist spürbar und ich bin bereit und sehr gespannt. Ich muss die Lösung noch nicht kennen aber ich entscheide, welchen Wolf ich füttere (siehe mein früherer Blog).

Zwischenzeitlich kam das Ergebnis der Pathologie. Meine Lymphknoten sind frei – HURRA! Soweit die gute Nachricht!

Aus verschiedenen Gründen wurde mir trotzdem, das ist die schlechte Nachricht, eine Chemotherapie empfohlen und der Arzt erklärte mir, was als Nächstes für mich zu tun sei, sollte ich dieser Empfehlung folgen. Nämlich beim Chirurgen als Zugang für die Chemo einen Port setzen lassen sowie durch eine Herzuntersuchung feststellen lassen, ob mein Herz gesund genug für eine solche Behandlung ist. Außerdem bekam ich einen Termin zur Aufklärung Chemotherapie. Ich erspare euch die Aufzählung der möglichen und wahrscheinlichen Nebenwirkungen einer solchen Behandlung. Ich saß bei der Ärztin, hörte mir das Alles an, als wäre ich gar nicht betroffen. Ich war völlig neben mir und ließ mir die Rezepte für eine Perücke und Kompressionsstrümpfe sowie einen Taxischein aushändigen. Ich sagte der Ärztin, dass ich mich noch nicht entschieden habe, dies jedoch am Wochenende machen würde.

Ich sah auf dieser Station viele unterschiedliche, starke Frauen, deren täglicher Kampf gegen den Krebs Normalität ist und ich ziehe meinen Hut! Ebenso bin ich zutiefst berührt von den Krankenschwestern und Ärztinnen, die dort Tag für Tag versuchen, Leben und den Kampf um das Leben möglich und erträglich zu machen. Frauen, die an der Seite von Frauen stehen!

Ich war an diesem Wochenende der Entscheidungsfindung völlig verzweifelt, mein ganzes System schrie NEIN. Ich will keine Chemo und ich brauche auch keine! „Ist das jetzt naives Wunschdenken oder kann ich mir vertrauen?“ fragte ich mich. Wie steht mein Partner zu meiner Entscheidung, wie mein Sohn? Wir hatten intensive und emotionale Gespräche hierzu, doch letztendlich müssen wir alle unsere Entscheidungen alleine treffen, Verantwortung für uns und unser Leben übernehmen. Ich spürte an diesem Wochenende immer wieder in mich hinein und ich traf die Entscheidung gesund zu werden und keine Chemotherapie zu machen. SAM ist kein Feind, den ich bekämpfen muss sondern mein Coach/Lehrer/Freund, der mir geholfen hat, aus dem Hamsterrad auszusteigen und über mein Leben nachzudenken.

Ob diese Entscheidung richtig war oder nicht, wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen und doch fühlt es sich heute richtig an!

Wenn ich ganz still werde und den heiligen Raum betrete, von dem ich euch ja schon erzählt habe, höre ich SAM sagen: Folge der Freude, Beate! Fang neu an!

Fortsetzung folgt….

»Leben lieben und Liebe leben!«